Statistisch betrachtet: Corona-Pandemie im Spiegel der amtlichen Wirtschaftsstatistik
Letzte Aktualisierung: 26. September 2023
Zur Erinnerung
Am 11. März 2020 wurde die durch den SARS-CoV-2-Virus verursachte Infektionskrankheit COVID-19 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur weltweiten Pandemie erklärt. Zur Vermeidung von Kontakten und damit zur Begrenzung ihrer Ausbreitung trat u. a. in Sachsen daraufhin von Mitte März bis in den Frühsommer 2020 ein behördlich verordneter erster »Lockdown« in Kraft. Dieser sah für eine Vielzahl von Bereichen und Einrichtungen weitreichende Reglementierungen in Form von Betriebseinschränkungen/-untersagungen, Besuchsverboten und Reise-/Ausgangsbeschränkungen vor.
Parallel dazu unterstützte der Staat besonders betroffene Wirtschaftseinheiten u. a. durch gezielte Konjunkturprogramme und Finanzhilfen, eine Flexibilisierung der Kurzarbeitsregelungen sowie die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen bei pandemiebedingter Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Von November 2020 bis Mai 2021 befand sich Sachsen im zweiten »(Teil-)Lockdown«, um den Jahreswechsel 2021/2022 schließlich in einem dritten »(Wellenbrecher-)Lockdown Light« der gewisse Erleichterungen für geimpfte oder genesene (»2G«) sowie ggf. getestete (»3G«) Personen mit sich brachte.
Die nachfolgende Analyse beschränkt sich beispielhaft auf jene Merkmale und Wirtschaftsbereiche, in denen die Auswirkungen der Corona-Pandemie bzw. der damit verbundenen staatlichen Interventionsmaßnahmen klar zum Ausdruck kommen. Ergänzende Angaben für die Jahre 2019 bis 2022 enthält die Excel-Arbeitsmappe.
Statistisch betrachtet: »Insolvenzen in Sachsen«
Wirtschaftsleistung
Bedingt durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie wurde 2020 das kontinuierliche Wirtschaftswachstum der zurückliegenden Dekade unterbrochen. Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in jeweiligen Preisen (nominal) um 1,3 Prozent bzw. preisbereinigt (real) um 3,5 Prozent (Deutschland: -3,7 Prozent) gegenüber dem Vorjahr war allerdings weniger stark als zu Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2009.
Mit 146,5 Milliarden Euro in jeweiligen Preisen wurde im Jahr 2022 in Sachsen das bislang höchste BIP seit der deutschen Wiedervereinigung erzielt. Der Anteil am gesamtdeutschen BIP betrug 3,8 Prozent (1991: 2,3 Prozent). Das preisbereinigte Wirtschaftswachstum lag binnen Jahresfrist bei 2,6 Prozent (Deutschland: 1,8 Prozent). Dabei reichte die Spanne der Veränderungen von -5,8 Prozent in der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei über 1,1 Prozent im Produzierenden Gewerbe bis zu 3,5 Prozent in den Dienstleistungsbereichen.
Die sich zum aktuellen Rand hin zusehends vergrößernde Abweichung zwischen nominaler und realer Entwicklung ist Ausdruck eines deutlichen Preisauftriebs, der weiter unten exemplarisch anhand der Verbraucherpreise illustriert wird.
Erwerbstätigkeit
Die Wirtschaftsleistung wurde 2022 von jahresdurchschnittlich knapp 2,1 Millionen Erwerbstätigen mit Arbeitsplatz in Sachsen erbracht. Das entsprach einem Anteil von 4,5 Prozent an der Erwerbstätigenzahl auf Bundesebene (1991: 5,8 Prozent).
Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie war die Zahl der Erwerbstätigen vom 1. zum 2. Quartal 2020 saisonuntypisch um rund 17.000 Personen bzw. 0,8 Prozent zurückgegangen und lag bis zum 1. Quartal 2021 um jeweils rund ein Prozent unter dem entsprechenden Vorjahresstand. Seitdem nahm die Erwerbstätigenzahl im Jahresverlauf wieder beständig zu. Für 2022 ergab sich ein jahresdurchschnittlicher Zuwachs um gut 16.000 Personen bzw. 0,8 Prozent (Deutschland: 1,3 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. Damit wurde der bisherige Rekordstand aus dem Vorkrisenjahr 2019 beinahe wieder erreicht.
Nach der Stellung im Beruf stieg die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Sachsen 2022 binnen Jahresfrist um 1,0 Prozent (darunter marginal Beschäftigte: 1,6 Prozent) auf knapp 1,9 Millionen Personen an. Dem gegenüber stand ein weiterer Rückgang bei den Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen um 1,3 Prozent auf weniger als 190.000 Personen. Die aktuelle Zunahme bei den marginal Beschäftigten war die erste seit 2006 und ging vor allem auf den überdurchschnittlichen Rückgang im Corona-Jahr 2020 um mehr als 8 Prozent (Erwerbstätige insgesamt: -0,8 Prozent) zurück.
Arbeitsmarkt
Ein stärkerer bzw. länger anhaltender Abbau von Beschäftigten infolge der Corona-Pandemie konnte durch die staatlich flexibilisierten Regelungen zur Inanspruchnahme von Kurzarbeit verhindert werden.
Zu Beginn des ersten Lockdowns im April 2020 erreichte die Zahl der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter in Sachsen mit annähernd 288.000 Personen eine bis dato nie dagewesene Größenordnung, was laut Bundesagentur für Arbeit (BA) einem Beschäftigungsäquivalent von rund 150.000 Personen entsprach (Anzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die sich durch Kurzarbeit ein 100-prozentiger Arbeitsausfall ergeben hätte). Auch die Auswirkungen des zweiten Lockdowns von Ende 2020 bis ins Frühjahr 2021 sowie des so genannten »Wellenbrecher«-Lockdowns um den Jahreswechsel 2021/2022 spiegeln sich in den stark erhöhten Kurzarbeiterzahlen klar wider. Im Jahresdurchschnitt 2020 waren sachsenweit 132.000 Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter zu verzeichnen, 2021 waren es 100.000 und 2022 noch reichlich 33.000. Zum Vergleich: Während der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise lag die Höchstzahl im März 2009 bei gut 72.000 Kurzarbeitenden.
Geschlechterspezifisch betrachtet, übertrifft die Zahl der kurzarbeitenden Männer in aller Regel die der Frauen. In den von der Corona-Pandemie besonders geprägten Jahren 2020 und 2021 hielten sich beide Gruppen allerdings weitgehend die Waage, der Frauenanteil betrug im Durchschnitt über 40 Prozent (Maximum im Mai 2021: 53 Prozent). 2022 war durchschnittlich jeder dritte Kurzarbeitende in Sachsen weiblich, in den letzten Jahren vor der Pandemie dagegen jeweils nur rund jeder zehnte.
Trotz der verstärkten Inanspruchnahme von Kurzarbeit stieg die Zahl der Arbeitslosen in Sachsen im Corona-Jahr 2020 binnen Jahresfrist erstmals seit 2005 um nahezu 11 Prozent (Deutschland: 19 Prozent) an. Bereits 2021 kam es wieder zu einem Rückgang um 3 Prozent. Dieser setzte sich 2022 um gut 5 Prozent auf jahresdurchschnittlich etwa 118.000 Arbeitslose fort. Damit reichte die Zahl nicht ganz an den bisherigen Tiefststand von 116.000 Arbeitslosen aus dem Vorkrisenjahr 2019 heran.
Preisentwicklung
Nach dem Auslaufen der pandemieinduzierten Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 16 Prozent bzw. 7 auf 5 Prozent zur Stimulierung der Konjunktur im 2. Halbjahr 2020 waren die Verbraucherpreise bis Ende 2022 mit zunehmender Dynamik kontinuierlich angestiegen. Seit April 2021 lag die Jahresteuerungsrate in Sachsen durchweg über dem mittelfristigen Inflationsziel der Europäischen Zentralbank für Preisstabilität in Höhe von 2 Prozent. Ihr vorläufiges Maximum erreichte die Jahresteuerungsrate im November 2022 mit annähernd 9 Prozent, dem höchsten Wert seit 1993. Diese Entwicklung lässt sich jedoch nicht ausschließlich den Auswirkungen der Corona-Pandemie zuschreiben, sondern resultierte unter anderem auch aus einem deutlichen Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln und Energieprodukten infolge des Russland-Ukraine-Krieges.
Im Jahresdurchschnitt 2022 betrug die Teuerungsrate in Sachsen (wie auf Bundesebene) nahezu 7 Prozent und damit mehr als das Doppelte von 2021 mit reichlich 3 Prozent. Weit überdurchschnittlich verteuerten sich 2022 zum Beispiel Nahrungsmittel um rund 15 Prozent (2021: 3 Prozent), Haushaltsenergie um knapp 24 Prozent (2021: 4 Prozent) und Kraftstoffe um mehr als 27 Prozent (2021: 21 Prozent). Zum Teil wirkten sich hier auch staatliche Sondermaßnahmen wie die »CO2-Bepreisung« (ab Januar 2021) oder der »Tank-Rabatt« (von Juni bis August 2022) entsprechend preistreibend bzw. -mindernd aus. Die Kerninflation (Jahresteuerungsrate des Verbraucherpreisindex ohne Nahrungsmittel und Energie) lag 2022 bei 4 Prozent.
Ähnliche Entwicklungen mit zum Teil weitaus höheren Teuerungsraten waren im Beobachtungszeitraum auch für andere Preisbereiche charakteristisch. Exemplarisch seien hier der Baupreisindex, der Erzeugerpreisindex gewerblicher Produkte bzw. für Dienstleistungen und der Außenhandelspreisindex genannt.
Statistisch betrachtet: »Baugewerbe in Sachsen«
Einzelhandel
Die Umsatzentwicklung im Einzelhandel zeigt deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Sparten und teils signifikante Auswirkungen der Corona-Pandemie bzw. der mit ihr in Verbindung stehenden staatlichen Maßnahmen. Dazu zählten beispielsweise lockdownbedingte Betriebsuntersagungen oder Betretungsverbote in bestimmten Bereichen des (stationären) Einzelhandels.
Insgesamt verlief die Umsatzentwicklung im sächsischen Einzelhandel von Januar 2019 bis Dezember 2022 mit den saisontypischen Spitzen im Weihnachtsgeschäft von der Grundtendenz aufwärtsgerichtet. Einem (nominalen) Umsatzplus im ersten Corona-Jahr 2020 von 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr folgten Zuwächse um knapp 4 Prozent in 2021 sowie gut 5 Prozent in 2022. Real, d. h. unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten (Verbraucher-)Preisentwicklung, war von 2021 zu 2022 indes ein Rückgang um rund 3 Prozent (Deutschland: -1 Prozent) zu verzeichnen.
Von den staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie weitgehend ausgenommen war der Einzelhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln, Getränken und Tabakwaren (in Verkaufsräumen), dessen Umsatzentwicklung somit ähnlich zu jener im gesamten Einzelhandel verlief. Gänzlich anders war die Situation etwa im Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren (in Verkaufsräumen), in dem sich die pandemiebedingten Umsatzausfälle in den einzelnen (Teil-)Lockdownphasen klar widerspiegeln. Ein ähnliches Muster zeigte sich auch im Einzelhandel mit Möbeln, Einrichtungsgegenständen, Haushaltsgeräten und Baubedarf. Näherungsweise spiegelbildlich hierzu entwickelten sich die Umsätze im Versand- und Internet-Einzelhandel (nicht in Verkaufsräumen, an Verkaufsständen oder auf Märkten) mit historischen Rekordergebnissen im Weihnachtsgeschäft 2020 und 2021, zu denen Substitutionskäufe aufgrund der behördlichen Einschränkungen im stationären Einzelhandel entsprechend beitrugen. Die konkreten, spartenspezifischen Veränderungsraten für die Jahre 2019 bis 2022 können der Excel-Arbeitsmappe entnommen werden.
Gastgewerbe/Tourismus
Das Gastgewerbe, bestehend aus den Bereichen Beherbergung und Gastronomie, war von den Auswirkungen der Corona-Pandemie in besonderem Maße betroffen. Behördlich angeordnete Beherbergungsverbote und Reisebeschränkungen für Touristen sowie die Untersagung von Präsenzbesuchen in gastronomischen Einrichtungen zogen während der Lockdownphasen massive Einbrüche der Übernachtungszahlen und deutliche Rückgänge beim Umsatz nach sich. So verringerte sich der gastgewerbliche Umsatz in Sachsen im ersten Corona-Jahr 2020 binnen Jahresfrist um rund ein Drittel. 2021 schloss sich ein weiterer Rückgang um knapp ein Zehntel an. Trotz einer merklichen Erholung nach Beendigung der staatlichen Reglementierungen im Jahresverlauf 2022 wurde das Umsatzniveau des Vorkrisenjahres 2019 zum Ende des Betrachtungszeitraums noch weit unterschritten (real: -19 Prozent; Deutschland: -12 Prozent).
Die Zahl der Gästeübernachtungen im sächsischen Beherbergungsgewerbe sank unmittelbar nach Ausbruch der Corona-Pandemie und Verhängung des ersten Lockdowns im April 2020 auf einen historischen Tiefststand von weniger als 250.000 Übernachtungen. Gestattet waren zu diesem Zeitpunkt lediglich Geschäftsreisen mit einem entsprechenden Nachweis der Erforderlichkeit. Auch in allen Folgemonaten des Jahres wurde trotz einiger Lockerungen das Vorjahresniveau insgesamt nicht erreicht. Eine Ausnahme bildete der Campingtourismus, für den sich im Juli und August 2020 neue Höchststände ergaben. Bedingt durch einen erneuten Einbruch am Jahresende lag die Zahl der Übernachtungen im Jahre 2020 insgesamt mit 13,5 Millionen um 35 Prozent unter der von 2019 (Deutschland: -39 Prozent). Dagegen war auf den sächsischen Campingplätzen ein Zuwachs um 15 Prozent (Deutschland: -5 Prozent) auf gut 960.000 Übernachtungen festzustellen. 2021, ebenfalls durch mehrmonatige Lockdown-Einschränkungen gekennzeichnet, verringerte sich die die Gesamtzahl an Übernachtungen im Vorjahresvergleich trotz eines Rekordergebnisses von über 2,2 Millionen Übernachtungen im August weiter, bevor 2022 wieder eine gewisse Normalisierung des Reiseverhaltens einsetzte. Mit zusammen 17,9 Millionen Übernachtungen wurde der bisherige Maximalwert aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 allerdings noch um rund 14 Prozent unterschritten (Deutschland: -9 Prozent).
Die mittlere Aufenthaltsdauer eines Gastes in Sachsen lag 2019 jahresdurchschnittlich bei 2,4 Tagen, verlängerte sich in den Corona-Jahren 2020 und 2021 bis auf 2,9 Tage und ging 2022 wieder auf 2,6 Tage (Deutschland: 2,8 Tage) zurück.